Größte Vielfalt auf kleinem Raum: Der Garten von Christa Albrecht

Der Bürgersteig gegenüber der Weidenbacher St. Georgs-Kirche lädt eigentlich nicht zum Verweilen ein. Trotzdem bleiben Passanten hier oft an einem langgestreckten Gartenzaun stehen, als wüssten sie nicht, wohin sie zuerst schauen sollen: Nach oben, auf die hohen Dahlien mit ihren roten und lilafarbenen Blüten? Auf die sie überragenden Sonnenblumen? Oder nach unten, auf den schmalen Streifen zwischen Scheunengiebel und Zaun, in dem sich Beet an Beet reiht und jedes anders bepflanzt ist? „Im Sommer komme ich mit der Gartenarbeit manchmal gar nicht vorwärts. Weil ich so oft angesprochen werde, wie die Pflanzen heißen und wie man es schafft, dass sie so schön wachsen.“

Den ‚grünen Daumen‘ hat Christa von ihrer Mutter geerbt. Wilhelmina („Mina“) Burmann, deren Vorfahren das Haus am Marktplatz 1805 gebaut und auch den Garten angelegt haben, hat die Gartenpflege auf der Landfrauenschule in Triesdorf gelernt. „Meine Mutter war immer total akkurat. Fast pingelig. Hundertmal hat sie die Beete nachgerecht.“ Christa sieht die Gartenarbeit entspannter. „Mir ist es egal, wenn da ab und zu noch Boll’n drin sind.“ Und sie hat ein Händchen für das, was man ‚geordnete Vielfalt‘ nennen könnte. In ihrem Garten gibt es keinen Wildwuchs. Es wird aber auch nicht jedes Unkraut sofort entfernt, und wenn sich eine Pflanze wie etwa die hübsche blaue „Gretel im Busch“ noch an anderer Stelle als der ursprünglichen ansiedelt, so ist das für Christa kein Grund sich zu ärgern.

Der Garten besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen. In dem Bereich, der zum früheren Wohnhaus gehört, findet sich ein gelungener Mix aus mediterranen Pflanzen (Jasmin, Granatapfel, Echter Lorbeer, Feigen, Myrten) und Klassikern des Bauerngartens (u.a. Pfingstrosen, Kletterrosen, Margeriten, Flieder). Markante Bäume gibt es auch: eine Quitte, eine Walnuss und – als Rarität – einen Weinbergpfirsich.

Im Zentrum soll hier aber der andere Teil des Gartens stehen. Er liegt gegenüber der Kirche und wird auf einer Länge von 30 Metern von dem eingangs erwähnten Zaun begrenzt; in der Tiefe umfasst er jedoch nur drei Meter. Umso erstaunlicher ist die Vielfalt, der man hier begegnet: Pfingstrosen, Rittersporn, Fingerhut, Rosen, Taglilien, Sonnenblumen, Dahlien, Löwenmäulchen, Zinnien, außerdem Johannis- und Himbeeren, Tomaten, Paprika, Salat, Zucchini, Kürbis, Kräuter- und Heilpflanzen, auch seltene wie etwa Alant.

 

 

Immer an der Wand lang: Spalierobst, Stauden und kreative Wespenabwehr

Schon der Zugang zum Garten gegenüber der Kirche ist etwas Besonderes. Von der Triesdorfer Straße kommend schlüpft man durch eine Art Tor; es ist hoch und schmal und wird von zwei Hainbuchen gebildet. Rechterhand, an der Wand des Scheunengiebels, fallen als erstes die zahlreichen Spaliere auf. Früher wuchs an ihnen ausschließlich Wein. „Aber so viele Weintrauben kann man gar nicht essen“, meint Christa mit einem Augenzwinkern. „Außerdem waren viele Weinstöcke schon sehr alt.“ Also hat sie neues Spalierobst angepflanzt, neben Birnen und dem bekannten Apfel „James Grieve“ auch die kanadische Aprikose „Hargrand“, die als pflegeleicht gilt und beeindruckend große Früchte hervorbringt.

Von den Weinstöcken hat sich Christa aber nicht ganz verabschiedet; sie kultiviert nach wie vor eine Reihe von frühen und späten Sorten. Ein Ärgernis sind ihr jedoch die Wespen: „Jeden Sommer fressen sie die Beeren auf“. Inzwischen ist ihr aber ein probates Abwehrmittel eingefallen: Sie hat aus Gaze kleine Säckchen genäht und hängt diese zum Schutz über die Trauben. Für eine geübte Hobby-Schneiderin wie Christa ist das kein großer Aufwand, und die Wespen haben keine Chance!

Unterhalb der Spaliere findet sich eine abwechslungsreiche Bepflanzung, u.a. aus alten Bauern-Pfingstrosen, einer zartrosafarbenen Beetrose, kleinen Monatserdbeeren („Nascherdbeeren“, wie Christa sagt) und Paprika. Besonders imposant sind aber zwei Stauden, die eine breit und buschig, die andere schmal und hoch. Im ersten Fall handelt es sich um Muskateller-Salbei. Er kann zur Aromatisierung von Wein verwendet werden (daher der Name) und entwickelt im Sommer auffallend große rosa-weiße Blüten. Die zweite Pflanze ist eine Palmlilie. Im Frühjahr sieht sie wie eine überdimensionale Spargelstange aus. Kein Wunder, schließlich gehört sie zur Familie der Spargelgewächse. Wenn sie im Sommer ihre cremeweißen Blüten ansetzt, wirkt sie wie ein großes Maiglöckchen. Doch ihre Höhe (ein bis zwei Meter sind möglich) lässt die Familienherkunft nicht ganz vergessen.

Vielfalt pur: Die Beete zwischen Scheunengiebel und Zaun

Wendet man sich dem langen, aber schmalen Streifen zwischen Scheunengiebel und Zaun zu, so kommt man angesichts der Vielfalt, die hier auf kleinstem Raum herrscht, aus dem Staunen nicht heraus. Kein Beet gleicht dem anderen, Zier- und Nutzpflanzen wechseln einander beständig ab, alles wirkt natürlich und sehr harmonisch.

Wie ist diese Vielfalt zustande gekommen? War sie Christas Idee, oder hat bereits ihre Mutter den Garten in dieser Weise angelegt? „Meine Mutter hat hauptsächlich Gemüse angepflanzt. Das war damals so üblich. Aber entlang der Mauer [d.h.: des jetzigen Zauns] hatte sie auch Zierpflanzen, z.B. Pfingstrosen und Jasmin.“

Christa hat ihrer Mutter bei der Pflege des Gartens immer geholfen und hat ihr ab Beginn der achtziger Jahre viel an Arbeit abgenommen. Zugleich begann sie, den Charakter des Gartens zu verändern und immer mehr Zierpflanzen zu setzen, zunächst entlang der Mauer (bzw. des Zauns), dann auch zwischen den Gemüsebeeten. Die Mutter ließ ihr dabei freie Hand. Auf diese Weise entstand allmählich der Garten in seiner heutigen Form und Vielfalt.

Einige Pflanzen sollen im Folgenden näher betrachtet werden.

Alant, Entenschnabeltomaten und essbare Zierkürbisse

Unter den vielen Kräutern, die Christa anbaut, sticht eines durch seine Größe hervor: der Echte Alant. Eigentlich ist er eine alte Heilpflanze, die gegen Husten und Bauchschmerzen wirken soll. Für Christa spielt das keine Rolle. Sie mag den hohen und buschigen Wuchs, die leuchtend gelben Blüten und den intensiven Duft, der Bienen anzieht.

Auch an Gemüse herrscht bei Christa kein Mangel. Besonders dekorativ kommen die Tomaten daher, die sich an Holzlatten emporranken und eine große Sortenvielfalt aufweisen. Manche von ihnen entwickeln sogar eine kleine Ausbuchtung, die wie ein Entenschnabel aussieht. Insgesamt gibt es 35 Tomatenpflanzen, verteilt auf fünf Beete – das lässt auf eine reiche Ernte hoffen.

Was Christa ebenfalls gerne mag, ist, Neues auszuprobieren. Im Bereich Gemüse ist es heuer eine Samenmischung, die essbare Zierkürbisse verspricht – eigentlich ein Widerspruch in sich, denn Zierkürbisse sind bekanntlich nicht für den Verzehr gedacht.

Ob die Neuzüchtung tatsächlich genießbar ist und auch so gut schmeckt wie die Hokkaido-Kürbisse, die Christa anbaut, wird sich im Herbst zeigen.

Rittersporn: Immer für Überraschungen gut

Der hochwachsende Rittersporn mit seinen leuchtenden Blütenrispen findet sich natürlich auch in Christas Garten. Sie bevorzugt einjährige gegenüber zweijährigen Sorten, weil sie schöner blühen.

Ihr Rittersporn wartet gerne mit Überraschungen auf. Üblicherweise wird mit ihm die Farbe Blau assoziiert. Christas Rittersporn bewegt sich jedoch im Spektrum von Blau, Weiß und Rosa, und sie kann auch nicht vorhersagen, in welcher Farbe die einzelnen Exemplare blühen werden. An welchen Stellen ihr Rittersporn auftauchen wird, weiß sie auch nicht, denn er liebt es, durch den Garten zu ‚wandern‘. Zum Wuchern tendiert er aber zum Glück nicht (im Gegensatz etwa zu den Himbeeren), daher kann Christa mit den Überraschungseffekten ihres Rittersporns gut leben.


Lieblingspflanzen und ein etwas gespaltenes Verhältnis zu Rosen

Welche Pflanze(n) mag Christa am liebsten? Diese Frage ist für sie gar nicht so leicht zu beantworten, denn eigentlich sind ihr fast alle ihre Schützlinge ans Herz gewachsen.

Aber dann nennt sie doch ein paar Favoriten: Zinnien. Löwenmäulchen. Dahlien. Und – Zucchini. „Die sind so vielseitig verwendbar. Man kann sie überall rein­schnippeln, z.B. in Reissuppe. Das ist ein Lieblingsgericht von meinem Mann.“

Mit Rosen dagegen steht Christa etwas auf Kriegsfuß, obwohl der Garten einige schöne Exemplare beherbergt, darunter eine Kletterrose ihres Großvaters. „Mein Opa hat Rosen geliebt. Aber ich mag sie eigentlich nicht so besonders. Weil sie so stechen.“ Trotzdem ‚duldet‘ Christa die Rosen in ihrem Garten: „Mit der Zeit gewöhnt man sich an sie. Und sie sind ja auch schön.“

Immer die Kirche im Blick: Die besondere Lage des Gartens

Wie schon erwähnt, liegt Christas Garten direkt gegenüber der Weidenbacher St. Georgs-Kirche. Bei der Gartenarbeit hat sie also immer die Kirche im Blick. Wie empfindet sie diese unmittelbare Nachbarschaft? Eher störend oder eher bereichernd? Christa lächelt: „Mir gefällt das. Mein Garten und die Kirche – das passt gut zusammen.“


Wir danken Christa Albrecht herzlich für das Gespräch und wünschen ihr weiterhin viel Freude mit
ihrem Garten.

Text: Eva Leitzke-Ungerer / Fotos: Erich Kraus, Christa Albrecht

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